Wolfgang Temmels Goldbroschen "bei mir" beziehen ihre formale Gestalt - wie schon ausgehend vom internationalistischen Form follows function - Begriff an einigen weiteren Beispielen in Form einer Neuinterpretation gezeigt werden konnte - ebenfalls nicht aus einer subjektiven ästhetischen Entscheidung. Das Erscheinungsbild basiert auf den Grundrissen von Wohnungen oder Räumen, deren Besitzer bzw. Mieter die Brosche in Auftrag gegeben haben. Im größeren Projektzusammenhang ist die Brosche nur der eine Teil, das Dokumentationsmaterial ihrer Ausgangspunkte wird den zweiten Teil bilden. So kann der Wohnungsbesitzer auf der einen Seite sein "bei sich" auf dem eigenen Körper tragen, auf der anderen Seite wird er seinen Teil zur endgültigen Fertigstellung des Kunstwerks dadurch beitragen, daß er persönliche Informationen über den Lebensraum, der in Form einer abstrahierten Schablone seine/ihre Person schmückt, in einen neu geschaffenen Kontext einbringt. Temmel, der in seiner künstlerischen Biografie auf kein wie immer geartetes Produktionsschema verweisen kann (und will) und sich bisher nach allen jenen Seiten geöffnet hat, auf denen Kunst ihre starre Definition - in welcher Richtung auch immer - entbehren konnte, nimmt das Schmuckstück zum Anlaß, verschiedenste Zeichen-, Bedeutungs- und Repräsentationssysteme für die Kopf-Arbeit des Betrachters zu aktivieren. Er baut gewissermaßen ein Scharnier ein, damit eine Verbindung möglich wird und definiert damit Kunst als einen unverzichtbaren Orientierungsfaktor im Betrachten und Erkennen unserer gesellschaftlichen Bedingungen, die sich zu einem nicht unbeträchtlichen Teil auch über die ästhetische Sprache definieren (lassen).

Werner Fenz