'bei mir' erscheint zunächst als ein längerfristiges Projekt zur Realisierung von Schmuckstücken: Broschen, deren Form auf die Grundrisse von Wohnungen zurückgeht, deren Besitzer bzw. Mieter die Brosche in Auftrag gegeben haben. Eine Ausstellung am Ende des Projekts zeigt dann aber nicht die Schmuckstücke selbst, sondern quasi Dokumentationsmaterial über ihre Ausgangspunkte: Ansichten der Wohnung und Porträts der Besitzer (der Wohnung wie der Brosche). An dieser Ausstellungssituation wird aber zugleich ablesbar, daß es weder primär darum geht, ein Schmuckstück in den Rang eines Kunst-Stücks zu heben, noch darum, dieses Schmuckstück (als Auftragsarbeit) herzustellen, sondern daß das Schmuckobjekt sozusagen als "Gelenk" fungiert, das verschiedene kulturelle Muster, Ordnungen, Übereinkünfte, Symbolisierungen und Kontexte zusammenführt. 'bei mir' ist also gleichermaßen der Titel für einen Prozeß, der von Wolfgang Temmel initiiert wird, indem es um Kunst, um Schmuck, aber auch um den sozialen Ort von Personen geht, um ihr Verhältnis zu Schmuck und Kunst und nicht zuletzt um eine Form der Exponierung dieses Verhältnisses: die Entäußerung einer Lebensform in einem Objekt, das exemplarisch eine Geste des Zeigens und Darstellens impliziert. Die Form dieses (Schmuck-) Objekts existiert bereits VOR seiner Anfertigung, seine Form geht also nicht auf ein ästhetisches Konzepte, eine subjektive Erfindung oder die Thematisierung künstlerischer Strategien zurück: die Form ist vielmehr Metapher für ein anderes (soziales) System, sie weist aus dem Kunst- wie dem Schmuckkontext hinaus und zeigt (architektonische) Ordnungen, weist symbolisch auf Ordnungssysteme hin, denen der Träger (und Auftraggeber) unterworfen ist, die SIE/ER sich gestaltet hat, in denen sie/er sich bewegt, zu Hause, d. h. "bei sich" ist. Das Schmuckstück zeigt dieses "Bei-Sich-Sein"an und kehrt es nach außen. Der Preis der jeweiligen Brosche richtet sich entsprechend nicht nach Kategorien künstlerischer Wertschätzung oder Regeln des Kunstmarktes. Im Maßstab 1:400 angefertigt, berechnet sich der Preis nach einer durchschnittlichen Monatsmiete für die jeweilige Wohnung, weist also ebenfalls aus dem System Kunst in das System Gesellschaft und markiert damit exemplarisch den Ort, an dem Schmuck angesiedelt ist: er ist Teil sozialer Ordnungen, über die sich das Subjekt innerhalb der Gesellschaft positioniert oder positioniert wird, ist Gegenstand von Klassifikationen und Projektionen, ein Objekt des Begehrens und der Selbstdarstellung. 'bei mir' bündelt diese Aspekte und signalisiert als Schmuckstück deren permanente Gegenwärtigkeit.